Malteser Expertin im Deutschlandfunk: „Auch junge Menschen sind einsam."

Stephanie Wegener von Tengg im Hörfunkstudio. Sie leitet ehrenamtlich die Redezeit der Berliner Malteser. Foto: privat

Wie erleben Menschen, die allein leben, die Zeiten des erzwungenen Abstands? Verstärkt sich das Gefühl von Einsamkeit? Wo gibt es Hilfe für Menschen, die sich einsam fühlen? Diesen Fragen ist die Sendung „Lebenszeit“ des Deutschlandfunks am 13. November im Gespräch mit Experten und Zuhörern nachgegangen. „Seit Corona merken wir, dass die Menschen, die uns anrufen, jünger werden. Traditionell werden die Telefondienste mehr von Menschen wahrgenommen, die in der zweiten Lebenshälfte sind. Mittlerweile haben wir Anrufer, die um die Lebensmitte oder auch in ihren Vierzigern sind und auch tatsächlich bis hin zu Schülern, die mit uns über ihre Probleme sprechen möchten“, berichtete Stephanie Wegener von Tengg, Leiterin der Redezeit der Berliner Malteser in der Dlf-Sendung über ihre Erfahrungen aus der Praxis.

Einsame hören ihre eigene Stimme nur, wenn sie mit sich selbst sprechen

„Man muss einen Unterschied machen zwischen allein sein und einsam sein. Die Menschen, die uns anrufen, die sind wirklich einsam. Sie haben keine Wahlmöglichkeit mehr, andere zu kontaktieren – weder über Soziale Netzwerke, noch über Telefon. Diese Menschen haben niemanden. Sie hören ihre eigene Stimme nur, wenn sie mit sich selbst sprechen. Und diese Menschen kontaktieren uns – egal welchen Alters“, so Wegener von Tengg.

Annehmen und Kraftquellen finden

Welche Hilfen gibt es, mit Einsamkeit zu leben? Stephanie Wegener von Tengg: „Alles hängt immer mit dem Annehmen zusammen. Das Annehmen ist sicherlich die Grundvoraussetzung für das Bewältigen einer Situation. In unseren Gesprächen gehen wir tatsächlich auf die einzelne Person ein und geben auch Ratschläge für den Einzelnen: Was wäre sinnvoll, wie diese Person vielleicht den Tag schön verbringen kann. Ich glaube, es geht in diesen Zeiten besonders darum, dass jeder für sich Kraft schöpft in kleinen Dingen. Das sind für Sie andere Dinge als für mich. Das zusammen mit den einzelnen Anrufern zusammen zu erarbeiten, ist das eigentlich Schöne an unserem Dienst. Es geht um Kraftquellen. Das kann etwas ganz Kleines sein: eine Blume kaufen, ein schönes Essen oder das tägliche Zeitunglesen.“

Malteser Redezeit – Nähe zu den Menschen auch über das Telefon

Wohin können sich Menschen, die sich einsam fühlen, wenden? Dazu Stephanie Wegener von Tengg im Dlf-Gespräch: „Die Malteser Redezeit ist ein telefonischer Besuchsdienst. Wir kommen nicht nach Hause, sondern rufen an – rein ehrenamtlich. Wir vermitteln regelmäßige und langfristige Telefonkontakte zwischen zwei Menschen. Es ist aber weniger ein Telefonkontakt als eine Telefonfreundschaft. Sie müssen es sich so vorstellen: Unsere Ehrenamtlichen rufen einmal in der Woche immer denselben Gesprächspartner an, mit dem sie dann tatsächlich eine vertrauensvolle Bindung eingehen gemäß dem Leitmotiv der Malteser: Weil Nähe zählt. Das ist es, was wir versuchen: Wir möchten Nähe zu den Menschen nach Hause bringen, auch über das Telefon. Insofern: Telefonseelsorge ist etwas Großartiges, weil es sofort akut Hilfe bringt. Unsere Redezeit dagegen ist eine langfristige Begleitung der Menschen."

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Unter diesem Link können Sie die komplette Deutschlandfunk-Sendung „Lebenszeit“ vom 13. November 2020 nachhören: https://www.deutschlandfunk.de/lebenszeit.1175.de.html

Weitere Informationen zur Redezeit finden Sie hier: https://www.malteser-berlin.de/angebote-und-leistungen/besuchsdienste/redezeit.html